Δευτέρα 6 Αυγούστου 2012

Άρθρο σε αυστριακή εφημερίδα, Νίκος Χρυσόγελος, Urlike Lunacek

Κοινό άρθρο του Ν. Χρυσόγελου και της πράσινης Αυστριακής Ευρωβουλευτή Ούλρικε Λούνατσεκ

"Der Standard" vom 15.06.2012                               Seite: 31
 
Ulrike Lunacek Nikos Chrysogelos
 
Bundesland, Bundesland Abend
 
Hellas vor der Wahl zwischen Skylla und Charybdis?
 
   Stellt sich den Griechen tatsächlich nur mehr die Frage, ob „Dummheit oder Wahnsinn“ aus der Krise führen? - Empfehlungen für einen dritten Weg, der dem drohenden Vehängnis mit Vernunft und Augenmaß begegnet.
 
   Egal wie die Parlamentswahl in Griechenland am kommenden Sonntag ausgeht, ob die linke Syriza eine Mehrheit erhält oder die konservative Nea Demokratia: Die beiden bisher ins Spiel gebrachten Alternativen, die bedingungslose Erfüllung der Vorgaben des Memorandums zwischen Griechenland und der Troika (EU, IWF, EZB) oder der Austritt Griechenlands aus der Eurozone - sind wie Skylla und Charybdis. Oder, wie Daniel Cohn-Bendit, unser Ko-Fraktionsvorsitzender im Europaparlament, vor Kurzem meinte, wie die Wahl zwischen „Dummheit und Wahnsinn“. Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass beschreibt die gegenwärtige Beziehung zwischen Athen und Brüssel in seinem Gedicht „Europas Schande“ deswegen völlig korrekt mit der Strophe: „Sauf endlich, sauf! schreien der Kommissare Claqueure, doch zornig gibt Sokrates Dir den Becher randvoll zurück.“
 
   Aber weder europäische Erpressung noch griechischer Zorn weisen den Weg aus dieser Krise: Weder das sture Festhalten am Memorandum noch ein Ausstieg aus dem von EU und internationaler Gemeinschaft auferlegten Sparprogramm und damit aus dem Euro führen zum Ziel.
 
   Oder kann sich jemand vorstellen, die USA würden einen Stern aus ihrer Flagge streichen lassen, nur weil ein US-Bundesstaat (kommt immer wieder vor) in finanzielle Schwierigkeiten gerät oder gar zahlungsunfähig ist? Undenkbar, oder?
 
   Ein anderes Beispiel aus Österreich: Als die österreichische Bundesregierung über Nacht ihre Milliarden-Rettung für die Kärntner Hypo Alpe Adria beschloss, für das von Haider und Konsorten verursachte Finanzfiasko am Wörthersee: Hat da irgendwer gemeint, Kärnten solle die österreichische Bundesrepublik verlassen oder gar ausgeschlossen werden und auf den Milliarden Schulden allein sitzen bleiben?
 
   Und genauso gehört Griechenland in die Europäische Union und in die Eurozone. Damit das so bleibt, muss Griechenland weiterhin die notwendige Unterstützung erhalten, ohne Zweideutigkeiten und Erpressung. Zugleich aber muss sich auch Griechenland verändern, reformieren, seinen Staat und seine Gesellschaft auf ein neues Fundament stellen, das tragfähig genug ist sowohl den Griechinnen und Griechen als auch den europäischen Partnern ausreichend Vertrauen zu geben - damit sich weder die einen noch die anderen von diesem Staat abwenden. Für diese Krise tragen die politischen Institutionen in Griechenland, die griechische Gesellschaft und die europäischen Strukturen jeweils einen Teil der Schuld - Veränderung muss deshalb auf allen diesen Ebenen eingefordert und umgesetzt werden.
 
   Es ist ja nicht so, dass das griechische Volk in den vergangenen zwei Jahren nicht schon riesige Anstrengungen unternommen hat, um notwendige Reformen zu fördern. Dabei gab es auch Teilerfolge, insgesamt hat die Entwicklung aber zum jetzigen unhaltbaren Status quo geführt: Mehr als 20 Prozent der Griechinnen und Griechen leben bereits unter der Armutsgrenze - Tendenz stark steigend. Die Sparmaßnahmen sind zu weit gegangen. Es ist unmöglich für eine Familie, mit einem Einkommen von rund 700 Euro zu leben, noch dazu wenn grundlegende Elemente der sozialen Infrastruktur schwach sind bzw. ganz zusammenbrechen. Im Gesundheitswesen führt diese Entwicklung jetzt schon zu einer Gefährdung von Leib und Leben.
 
   Die Europäische Union verstößt mit diesem Spardiktat gegen ihre eigenen Vorhaben der Armutsbekämpfung (2020 Strategie). Als eine erste Maßnahme müssen deswegen die über das Ziel hinausschießenden Sparmaßnahmen zurückgenommen werden. Daneben ist es unerlässlich, Griechenland mehr Zeit zur Erreichung der finanzpolitischen Ziele zu gewähren, diese Frist gehört von 2014 auf 2016 erweitert.
 
   Das größte Bedrohungspotenzial für den Zusammenhalt des griechischen Staatswesens liegt jedoch in Korruption und Steuerbetrug. Griechenland gehört zu den Ländern mit den größten sozialen Ungleichheiten und Einkommensdifferenzen, vor allem wegen Steuerflucht, Steuerhinterziehung und Korruption. Ohne einen Selbstreinigungsprozess in Griechenland wird dieser Geißel nicht beizukommen sein. Geschätzte 200 Milliarden Euro liegen unversteuert im Ausland. Es wird geschätzt, dass Mikro- und Makro-Korruption das Land und seine Bürgerinnen und Bürger über 20 Milliarden Euro jährlich kostet. Um einen neuen Sinn für Fairness aufzubauen, braucht es zur Aufarbeitung dieser Finanzverbrechen an Staat und Gesellschaft die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, um Informationen über die Ursachen und Verursacher zu sammeln, die das Land in den Ruin geführt haben.
 
   Durch eine falsche Industriepolitik, die auf staatliche Subventionen und Marine-Aufträge inklusive Steuerbefreiung für Werften und Reedereien, also auf dem Wachstumsmodell des Protektionismus und der unkontrollierten Militärausgaben, basiert, ist auch Griechenlands Schiffbauindustrie auf Grund gelaufen. Griechenland, global eine der größten Seemächte, hat einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen in diesem Bereich (1985: rund 45.000, heute weniger als 4500 Beschäftigte). So wie das Beispiel der Danziger Werften zeigt, liegt aber in einer Umgestaltung der Schiffsproduktion auf ökologisch effiziente Schiffe ein großes Wachstumspotenzial, das es auch in Griechenland zu nützen gilt.
 
   Und es braucht ein Grünes Investitions-Paket, um eine nachhaltige Neuausrichtung der Realwirtschaft in Gang zu bringen. Ohne eine generelle Neuausrichtung der Energiepolitik bleibt jeder Aufschwung illusorisch. Griechenland ist das ölabhängigste Land der EU. Allein für die Stromerzeugung auf seinen Inseln muss Griechenland jedes Jahr Treibstoffe um rund 300 Millionen Euro kaufen - zum Vergleich dazu betragen die EU-Regionalförderungen in der Periode 2007 bis 2014 für diese Inseln rund 140 Millionen Euro. Allein dieser Vergleich zeigt die fatale wirtschaftliche Schere, die für Griechenland durch seine Abhängigkeit vom Ölhahn immer weiter auseinandergeht. Die Abhängigkeit der griechischen Energieversorgung von Erdöl kommt das Land ökonomisch wie ökologisch doppelt teuer zu stehen. Sowohl die finanziellen als auch die Umwelt- und Klimabelastungen sind nicht durchhaltbar. Jetzt muss es darum gehen, diese ökonomisch wie ökologisch untragbare Situation durch Konzepte zu überwinden, die auf die Regionen zugeschnitten sind.
 
   Griechenland braucht ein starkes Signal des Aufbruchs. Einen Aufbruch zu einem dritten Weg zwischen Dummheit und Wahnsinn, einen Weg der Logik, damit verhindert wird, was Günter Grass in der letzten Strophe seines Gedichts für Europa ansonsten prophezeit: „Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land, dessen Geist Dich, Europa, erdachte.“
 

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