Κοινό άρθρο του Ν. Χρυσόγελου και της πράσινης Αυστριακής Ευρωβουλευτή Ούλρικε Λούνατσεκ
"Der Standard" vom 15.06.2012 Seite: 31
Ulrike Lunacek Nikos Chrysogelos
Bundesland, Bundesland Abend
Hellas vor der Wahl zwischen Skylla und Charybdis?
Stellt sich den Griechen tatsächlich nur mehr die Frage, ob „Dummheit
oder Wahnsinn“ aus der Krise führen? - Empfehlungen für einen dritten
Weg, der dem drohenden Vehängnis mit Vernunft und Augenmaß begegnet.
Egal wie die Parlamentswahl in Griechenland am kommenden Sonntag
ausgeht, ob die linke Syriza eine Mehrheit erhält oder die konservative
Nea Demokratia: Die beiden bisher ins Spiel gebrachten Alternativen, die
bedingungslose Erfüllung der Vorgaben des Memorandums zwischen
Griechenland und der Troika (EU, IWF, EZB) oder der Austritt
Griechenlands aus der Eurozone - sind wie Skylla und Charybdis. Oder,
wie Daniel Cohn-Bendit, unser Ko-Fraktionsvorsitzender im
Europaparlament, vor Kurzem meinte, wie die Wahl zwischen „Dummheit und
Wahnsinn“. Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass beschreibt die
gegenwärtige Beziehung zwischen Athen und Brüssel in seinem Gedicht
„Europas Schande“ deswegen völlig korrekt mit der Strophe: „Sauf
endlich, sauf! schreien der Kommissare Claqueure, doch zornig gibt
Sokrates Dir den Becher randvoll zurück.“
Aber weder europäische Erpressung noch griechischer Zorn weisen den Weg
aus dieser Krise: Weder das sture Festhalten am Memorandum noch ein
Ausstieg aus dem von EU und internationaler Gemeinschaft auferlegten
Sparprogramm und damit aus dem Euro führen zum Ziel.
Oder kann sich jemand vorstellen, die USA würden einen Stern aus ihrer
Flagge streichen lassen, nur weil ein US-Bundesstaat (kommt immer wieder
vor) in finanzielle Schwierigkeiten gerät oder gar zahlungsunfähig ist?
Undenkbar, oder?
Ein anderes Beispiel aus Österreich: Als die österreichische
Bundesregierung über Nacht ihre Milliarden-Rettung für die Kärntner Hypo
Alpe Adria beschloss, für das von Haider und Konsorten verursachte
Finanzfiasko am Wörthersee: Hat da irgendwer gemeint, Kärnten solle die
österreichische Bundesrepublik verlassen oder gar ausgeschlossen werden
und auf den Milliarden Schulden allein sitzen bleiben?
Und genauso gehört Griechenland in die Europäische Union und in die
Eurozone. Damit das so bleibt, muss Griechenland weiterhin die
notwendige Unterstützung erhalten, ohne Zweideutigkeiten und Erpressung.
Zugleich aber muss sich auch Griechenland verändern, reformieren,
seinen Staat und seine Gesellschaft auf ein neues Fundament stellen, das
tragfähig genug ist sowohl den Griechinnen und Griechen als auch den
europäischen Partnern ausreichend Vertrauen zu geben - damit sich weder
die einen noch die anderen von diesem Staat abwenden. Für diese Krise
tragen die politischen Institutionen in Griechenland, die griechische
Gesellschaft und die europäischen Strukturen jeweils einen Teil der
Schuld - Veränderung muss deshalb auf allen diesen Ebenen eingefordert
und umgesetzt werden.
Es ist ja nicht so, dass das griechische Volk in den vergangenen zwei
Jahren nicht schon riesige Anstrengungen unternommen hat, um notwendige
Reformen zu fördern. Dabei gab es auch Teilerfolge, insgesamt hat die
Entwicklung aber zum jetzigen unhaltbaren Status quo geführt: Mehr als
20 Prozent der Griechinnen und Griechen leben bereits unter der
Armutsgrenze - Tendenz stark steigend. Die Sparmaßnahmen sind zu weit
gegangen. Es ist unmöglich für eine Familie, mit einem Einkommen von
rund 700 Euro zu leben, noch dazu wenn grundlegende Elemente der
sozialen Infrastruktur schwach sind bzw. ganz zusammenbrechen. Im
Gesundheitswesen führt diese Entwicklung jetzt schon zu einer Gefährdung
von Leib und Leben.
Die Europäische Union verstößt mit diesem Spardiktat gegen ihre eigenen
Vorhaben der Armutsbekämpfung (2020 Strategie). Als eine erste Maßnahme
müssen deswegen die über das Ziel hinausschießenden Sparmaßnahmen
zurückgenommen werden. Daneben ist es unerlässlich, Griechenland mehr
Zeit zur Erreichung der finanzpolitischen Ziele zu gewähren, diese Frist
gehört von 2014 auf 2016 erweitert.
Das größte Bedrohungspotenzial für den Zusammenhalt des griechischen
Staatswesens liegt jedoch in Korruption und Steuerbetrug. Griechenland
gehört zu den Ländern mit den größten sozialen Ungleichheiten und
Einkommensdifferenzen, vor allem wegen Steuerflucht, Steuerhinterziehung
und Korruption. Ohne einen Selbstreinigungsprozess in Griechenland wird
dieser Geißel nicht beizukommen sein. Geschätzte 200 Milliarden Euro
liegen unversteuert im Ausland. Es wird geschätzt, dass Mikro- und
Makro-Korruption das Land und seine Bürgerinnen und Bürger über 20
Milliarden Euro jährlich kostet. Um einen neuen Sinn für Fairness
aufzubauen, braucht es zur Aufarbeitung dieser Finanzverbrechen an Staat
und Gesellschaft die Einrichtung eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses, um Informationen über die Ursachen und
Verursacher zu sammeln, die das Land in den Ruin geführt haben.
Durch eine falsche Industriepolitik, die auf staatliche Subventionen
und Marine-Aufträge inklusive Steuerbefreiung für Werften und
Reedereien, also auf dem Wachstumsmodell des Protektionismus und der
unkontrollierten Militärausgaben, basiert, ist auch Griechenlands
Schiffbauindustrie auf Grund gelaufen. Griechenland, global eine der
größten Seemächte, hat einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen in
diesem Bereich (1985: rund 45.000, heute weniger als 4500 Beschäftigte).
So wie das Beispiel der Danziger Werften zeigt, liegt aber in einer
Umgestaltung der Schiffsproduktion auf ökologisch effiziente Schiffe ein
großes Wachstumspotenzial, das es auch in Griechenland zu nützen gilt.
Und es braucht ein Grünes Investitions-Paket, um eine nachhaltige
Neuausrichtung der Realwirtschaft in Gang zu bringen. Ohne eine
generelle Neuausrichtung der Energiepolitik bleibt jeder Aufschwung
illusorisch. Griechenland ist das ölabhängigste Land der EU. Allein für
die Stromerzeugung auf seinen Inseln muss Griechenland jedes Jahr
Treibstoffe um rund 300 Millionen Euro kaufen - zum Vergleich dazu
betragen die EU-Regionalförderungen in der Periode 2007 bis 2014 für
diese Inseln rund 140 Millionen Euro. Allein dieser Vergleich zeigt die
fatale wirtschaftliche Schere, die für Griechenland durch seine
Abhängigkeit vom Ölhahn immer weiter auseinandergeht. Die Abhängigkeit
der griechischen Energieversorgung von Erdöl kommt das Land ökonomisch
wie ökologisch doppelt teuer zu stehen. Sowohl die finanziellen als auch
die Umwelt- und Klimabelastungen sind nicht durchhaltbar. Jetzt muss es
darum gehen, diese ökonomisch wie ökologisch untragbare Situation durch
Konzepte zu überwinden, die auf die Regionen zugeschnitten sind.
Griechenland braucht ein starkes Signal des Aufbruchs. Einen Aufbruch
zu einem dritten Weg zwischen Dummheit und Wahnsinn, einen Weg der
Logik, damit verhindert wird, was Günter Grass in der letzten Strophe
seines Gedichts für Europa ansonsten prophezeit: „Geistlos verkümmern
wirst Du ohne das Land, dessen Geist Dich, Europa, erdachte.“
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